Beinahe drei Jahre sind bereits wieder ins Land gezogen, seit das Quartett von Metronomy dem Synth-geneigten Ohr die Sommersaison mit dem unverschämt lässigen Elektropop zu versüßen wusste und etliche Köpfe auf einen Schlag verdrehte. Mit seinen ungeheuer draufgängerischen Basslinien, den verspielten Synthies und den subtilen, niemals rostenden Harmonien badete das überragende Album The English Riviera in den himmlischsten Gewässern einer ganz großen Popmusik, die seinerzeit völlig überraschte. Denn mit der experimentellen Schlafzimmer-Elektronik des Debüts Pip Paine (Pay The $5000 You Owe) war Metronomy-Erfinder Joseph Mount im Jahr 2006 noch wesentlich instrumental-orientierter und schnittiger auf Achse, läutete seinen Kurswechsel aber schon zwei Jahre später kostprobenartig mit der nachfolgenden Tanzplatte Nights Out ein, der er sich mit zwei Schulkameraden annahm. In seinen Grundzügen poppiger und mit einigen Vokalstücken ausgerüstet führte jener Kurswechsel die Ostengländer Metronomy 2011 an die wunderschöne englische Riviera, wo sie seither als Quartett brillieren. Wie wunderbar, dass nun, passend zur frühsommerlichen Jahreszeit, ihr nun schon viertes Studioalbum Love Letters erscheint.
Mit den ersten Sonnenstrahlen im Gesicht und der ersten eisgekühlten Limonade in der Hand kommt auch unmittelbar das Verlangen auf, das erste diesjährige Sommeralbum in Angriff zu nehmen. Welches würde sich da schon besser eignen, als die Fortsetzung des von der Sonne geküssten The English Riviera, mag man im ersten Moment denken. Pah, falsch gedacht! Denn für den guten Joseph Mount ist Stillstand wohl ein Fremdwort. Der Opener The Upsetter, wie er mit seinen billig aber fluffig klingenden, metronomischen Computerdrums und der wehmütigen Akustikgitarre gerade zu dahin schwimmt, eröffnet das Album nämlich betont soft und wesentlich reduzierter; knüpft dabei klanglich sowie lyrisch insofern an den Vorgänger an, als dass er seiner Sommerromanze mit wehendem, weißen Tuch zurück winkt. Unter anderem auch durch die analoge Aufnahme der gesamten Scheibe bekommt Love Letters einen sehr nostalgischen und viel organischeren Beigeschmack, büßt dabei aber eben an der geschätzten Coolness ein, wie man sie zuletzt auf The English Riviera so lieben lernte.
Aber nun Schluss mit dem ewigen Vergleich, denn Love Letters zeichnet sich durch völlig neue Qualitäten aus. Mit den darauf folgenden Tracks entfaltet sich allmählich ein vielfältiger Katalog jener musikalischer Einflüsse und Stilmittel vergangener aber bewährter Tage, die den Metronomy’schen Sound so sehr geprägt haben. I’m Aquarius, die vorab veröffentlichte Single, bot dafür schon einen ersten Vorgeschmack, indem sie mit den unverblümt geträllerten Shoop-doop-doop-wah’s des Frauenchors an Motown Jahre zu erinnern vermochte. Nach dem Intro, das von etwas verlorenen Klarinetten und Bläsern arrangiert wird, lebt auch der Titeltrack Love Letters von einem energischen Frauenchor, der den unglaublich poppigen Up-Beat schließlich bis in ein Trompetensolo bugsiert. Month Of Sundays kommt als einziger Track völlig ohne Synthesizer aus. Er beginnt mit einer sehr The Smithsigen Gitarre, geht dann aber in der zweiten Hälfte langsam über in einen psychedelischen Seelenbaumler inklusive eines dicken E-Gitarrensolos. Ein bisschen aus dem Rahmen fällt dabei das instrumentale, sehr elektronische Zwischenspiel Boy Racers, welches sich mit schicken 80er-Synthies schmückt und dabei den eigenen Ursprüngen auf Pip Paine (Pay The $5000 You Owe) die Ehre erweist.
Selbst in einigen höchst melancholisch gestimmten Momenten, wie in dem verschlummerten Call Me, vor allem aber bei der Melodie der trübsinnigen Gitarre in The Most Immaculate Haircut verliert Joseph Mount glücklicherweise zu keinem Zeitpunkt seinen Humor, wenn er Zeilen säuselt wie „He’s got the most immaculate haircut, but with the right dye and shampoo, maybe I could too“. Deshalb und auch wegen der originellen und so liebevoll umgesetzten Arrangements macht Love Letters einen sehr charmanten und verspielten Eindruck. An Soundvolumen reduziert, jedoch zur richtigen Zeit an Soundvielfalt optimiert sind Metronomy auf ihrem vierten Album nicht mehr ganz so straight auf den Punkt, sondern ruhiger und unentschlossener. Teilweise ergibt sich daraus das Problem, dass Love Letters vorerst an einem vorbei zu plätschern scheint und sich stille Highlights erst nach und nach offenbaren. Auch der letzte Track Never Wanted lässt das Album nach den wenigen 41 Minuten Spielzeit insgesamt ein bisschen nebensächlich auslaufen. Nichtsdestotrotz ist es den Engländern mit Love Letters abermals gelungen, ein schönes und vor allem abwechslungsreiches Stück Electropop zu schaffen, das zwar um einiges defensiver aber immer noch ersprießlich ist.
1. The Upsetter
2. I’m Aquarius
3. Monstrous
4. Love Letters
5. Month Of Sundays
6. Boy Racers
7. Call Me
8. The Most Immaculate Haircut
9. Reservoir
10. Never Wanted
Zolin sagt: 7 von 10