Der seltsame Fall des William Bevan setzt seinen undurchschaubaren Lauf fort. Als eines der bekanntesten und begehrtesten Phantome der heutigen elektronischen Musik kursierten im Laufe der Jahre immer wieder skurrile Gerüchte und Mythen um seine Identität: 2013 toppte ein Satire-Magazin mit der „bewiesenen“ These, es handele sich bei der Person hinter Burial um Kieran Hebden aka Four Tet. Die Geheimhaltung kommt dem britischen Produzenten der „alten Schule“ rund um das Dubstep-Geschehen ab 2005 in Bezug auf Nachfrage definitiv zugute, zumal sich sein Alleinstellungsmerkmal in der Musik parallel dazu auch nicht zu verflüssigen scheint. Obwohl der Volksmund ihm mit Klassifizierungen wie 2-Step, Future Garage oder Dubstep gerecht zu werden versucht, will keines der Genres letztlich so recht den einzigartigen, dunklen, atmosphärisch-melancholischen Signatur-Sound des Vorzeigetalents von Hyperdub Records definieren.
Dickflüssig verschwimmende Wände aus weinerlichen Akkorden, stimmungsvoll eingebundene R’n’B-Vocal Samples, subtile, nach UK Clubsound klingende Skip & Swing Drums und ein ewig scheinendes Raumgefühl, das mit jeder Menge Melancholie vervollständigt wird. So oder so ähnlich lässt sich Burial gezwungenermaßen subsumieren, jedenfalls wenn man den Rückblick über seine von vielen Die-Hards fast schon vergötterte Diskografie schweifen lässt: Das selbstbetitelte erste Album überraschte EDM- und UK Bass Music-Fans allerorts und ließ unzählige dürstend nach mehr schreien. Ein Jahr später legte Burial mit Untrue einen wegweisenden modernen Klassiker nach, der endgültig die unsagbaren Ambitionen des Phantoms bestätigte. Was dann folgte, war quälende Stille. Vier lange Jahre ließ William Bevan Fans und Kritiker hungern, abgesehen von Remix-Arbeiten oder der nicht zu verachtenden Kollaborations-EP Moth / Wolf Club mit Four Tet. 2011 brach er das Schweigen und begann seine momentane Release-Tradition mit mehreren EPs über die letzten drei Jahre.
Der Kern blieb, jedoch tendierten die wenigen Stücke zu progressiverer Ausarbeitung über epische Längen von bis zu 13 Minuten. So auch bei Bevans aktuellstem Werk: Rival Dealer.Vorab ließ William Bevan der BBC-Moderatorin Mary Anne Hobbs eine Nachricht zukommen, die den Kontext und Hintergrund von Rival Dealer erklären sollte: „I wanted the tunes to be anti-bullying tunes that could maybe help someone to believe in themselves, to not be afraid, and to not give up, and to know that someone out there cares and is looking out for them.“ Dass gerade Burials triste, romantisch-weinerliche 2-Step Balladen Mobbingopfern über Selbstzweifel hinweghelfen sollen, weckt im ersten Moment eher Skepsis. Doch es hat sich etwas in der Produktion und Konzeption von Rival Dealer getan, über das man nicht hinweghören kann, vor allem dann nicht, wenn man bereits mit vorigen Werken warm geworden ist.
Der Titeltrack Rival Dealer steigt vorerst typisch ein, hallende Geräusche, die an gedimmte, einsame Londoner U-Bahnschächte erinnern, das vertraute Knistern, sirenenhafte Hintergrundstimmen. Dann ein emporsteigender Raum mit einer geradezu brennenden Synth-Bassline, umschwirrt von Echostimmen eines Vocal Samples, das immer wieder bewusst in leichte Dissonanz verfällt, was den ersten Minuten bedrohlichen Charakter verleiht. Plötzlich der erste markante Umbruch: Klare, ungewohnt lineare Drums, die an UK Jungle oder Drum’n’Bass erinnern. Hintergründig bäumen sich indes immer wieder hell röhrende, dabei harmonische Maschinenklänge auf. Zwischendurch blitzen hier und da Spoken Word-Samples auf. Nach überrumpelnden und ungewöhnlich fordernden zehn Minuten folgt in klassischer Burial-Manier ein Ambient-Ausstieg und der Track hievt sich unter weiteren Geisterrufen in Richtung Ende. Die letzten Tracks fallen weitaus weniger spektakulär aus. „Excuse me, I’m lost“ beginnt Come Down To Us mit surreal anmutender Silent Hill-Ästhetik unter einem langsamen drumbeat, der beinahe an Trip-Hop denken lässt, Zupfer einer Zitar begleiten den Kurs. Das genutzte Vocal Sample lässt Hoffnungen und Fragen aufkommen: man fragt sich, ob William Bevan die Singstimme absichtlich so oft neben den Ton schießen lässt, man hofft, dass sich der Einsatz von Auto-Tune innerhalb dieses Rahmens noch irgendwie richten lässt. Abgesehen von kleinen Details und einem unfassbar schnulzig klingenden letzten Drittel bietet Come Down To Us einen seltsamen, neuartigen Ansatz des typischen Burial-Sounds, der vorerst jedoch noch einiges an Stirnrunzeln zulässt.
1. Rival Dealer
2. Hiders
3. Come Down to Us
Zolin sagt: 6 von 10